Schreibwandern: mehr als schreiben und wandern

Schreibwandern ist mehr als schreiben und wandern, auch wenn sich das «Mehr» in der Einfachheit dieser beiden Tätigkeiten manifestiert. Ein kurzer Blick auf dieses «Mehr» zeigt: Hier tut sich eine Welt auf.
Von Chris Dietisheim,

Schreibwandern lässt uns ankommen: am Ort, wo wir jetzt sind und bei uns selbst. Der Blick ist weniger flüchtig, wenn wir für Formen, Farben und Strukturen Worte suchen und Sätze bilden. Die Luft riecht nach mehr als Luft, wenn wir ihren Duft erschreiben. Wie fühlt sich der Boden an, auf dem wir gehen? Wie das Blatt, die Baumrinde, das Moos, der Fels? Schreibwandernd geben wir uns den Dingen um uns hin.

Schreibwandern stärkt die Naturverbundenheit. Und damit das Gefühl, sich selbst als aktiven Teil eines natürlichen Ganzen zu verstehen – und auch so zu handeln. Denn beim Schreibwandern wenden wir uns aufmerksam der Natur zu: Im Fühlen, Empfinden und Träumen nehmen wir das Schöne und Belebte der Natur wahr, lassen uns erstaunen und als Teil davon erleben.

Schreibwandern schafft Stille. Eine bewusste (Wieder-)Entdeckung der Qualität des Langsamen, Ruhigen und Feinen, des Innehaltens und genauen, ruhigen Betrachtens. 

Schreibwandern ist ein Weg zu einem gesunden Mass. Denn es ist materiell anspruchslos, durch und durch minimalistisch: Es braucht dazu nur einen Weg und ein Notizbuch – Beine, die gehen und eine Hand, die schreibt. Kein kompliziertes Equipment, keine weiten Reisewege. Den Anspruch sucht Schreibwandern stattdessen in der Qualität des empfundenen Moments.

Schreibwandern ist Rhythmus. Das Gehen beim Wandern weckt die Kreativität und stimuliert mentale Prozesse. Das Denken wird klarer durchs Gehen, die Bewegung unterstützt die Denkprozesse. In Schreibpausen können diese Gedanken geerntet werden, gesammelt, festgehalten auf Papier. Das Aufschreiben ist ein Konservieren der Gedanken, einmachen in Einmachgläsern, für später, für die weitere Arbeit daran. 

Und nicht zuletzt: Schreibwandern ist für alle. Wir alle fahren Velo und niemand (oder die wenigsten) haben den Anspruch, die Tour de France zu gewinnen. Auch das Schreiben soll etwas sein, was alle tun, ohne ans Können und an die Leistung zu denken (frei nach Umberto Eco). Beim Schreibwandern schreiben wir für uns selbst – und für Qualität des Erlebens im Moment.

Herzlich grüsst, Chris

PS: Naturverbundenheit, reflektierendes Schreiben, Journaling, Stille und Genügsamkeit: Interessieren dich diese Themen? In diesem Magazin schreibe ich regelmässig dazu. Du kannst das Magazin ganz einfach auf der Startseite abonnieren.